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Bei Risikokultur geht es immer um den Menschen

Via Risknet • Frank Romeike
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Heute stellen wir Ihnen ein Interview der Risknet Redaktion mit Christoph Schwager vor. Herr Schwager ist verantwortlicher Partner für die Enterprise Risk Management Practice von EY und war zuvor viele Jahre Chief Risk Officer beim Luft- und Raumfahrt- sowie Rüstungskonzern Airbus. Im ersten Teil des Interviews beschreit der Risikomanagementprofi den Wert von Risiko- als Führungskultur, vermittelt dies anhand eines konkreten Beispiels und geht auf die Rolle des Risikomanagers ein.

Seit der jüngsten Finanzmarktkrise steigt der Aufwand für die Umsetzung regulatorischer Anforderungen permanent an. Nach vordergründiger Lesart der Politik dreht es sich im Kern um die Verankerung von Werten in der Finanzbranche und einen klaren gesellschaftlichen Auftrag. Ziel der Finanzmarktregulierung ist in Summe der Schutz der Kundeninteressen und der Stabilität sowie Integritä des Marktes und damit letztlich des Systems, auf dem unsere Wirtschaft fußt. Um dieses Ziel zu erreichen, werden Regeln gesetzt – Spielregeln für alle, die mitspielen wollen. Doch kommt es bei der Aufstellung als auch bei der Umsetzung dieser Regeln vielfach zu Fehljustierungen. Leider führen diese nicht selten zu überbordender Bürokratie und vertanen Chancen. Und korrigiert werden solche Fehljustierungen nur äußerst selten.

Es gilt also, sich nicht nur ernsthaft mit regulatorischen Anforderungen und den zugehörigen Compliancerisiken zu befassen. Vielmehr geht es darum eine Risikokultur zu etablieren, die dafür sorgt, dass Unternehmertum und unternehmerisches beziehungsweise betriebswirtschaftliches Risikomanagement nicht aus Angst vor Compliancerisiken abgewürgt werden. Denn das hätte mittel- bis langfristig schwerwiegende Folgen für die Kreativität, Innovationskraft und Profitabilität der Finanzbranche und damit auch für die Erfüllung des gesellschaftlichen Auftrags.

RiskNET: Sie waren viele Jahre Chief Risk Officer bei Europas führendem Luft- und Raumfahrtkonzern. Welche Relevanz hatte hierbei das Thema "gelebte Risikokultur"?

Christoph Schwager: Risikokultur ist immer auch Führungskultur und Unternehmertum. Ein guter Unternehmer hat eine gute  Führungskultur, was wiederum eine gute Risikokultur bedingt. Dies sind Grundvoraussetzungen für eine funktionierende Unternehmenssteuerung. Um das zu erreichen, haben wir über viele Jahre sehr erfolgreich ein großes "Risikokulturprogramm" betrieben, um den Spagat zwischen einem eher regulativem und einem unternehmerischen Risikomanagement  bestmöglich zu meistern. Dies hat zu enormen Steigerungen bei der Unternehmenssteuerung beigetragen.

RiskNET: Wie kann eine gute Risikokultur zur Unternehmenssteuerung beitragen?

Christoph Schwager: Lassen Sie mich dies an einem Beispiel verdeutlichen. Sie haben Ihre Strategie gerade neu entwickelt oder angepasst und möchten diese jetzt umsetzen. Sie setzen also alle erforderlichen Maßnahmen auf, planen die Ablaufschritte und starten. Sie lassen sich dann im Rahmen Ihrer Unternehmenssteuerung über die Fortschritte bei der Umsetzung berichten, beispielsweise unterstützt durch KPIs und Werttreiberbäume. Sie denken, sie sind auf einem guten Weg, ihr Management bestätigt ihnen das auch so. Und trotzdem stellen sie nach einiger Zeit fest, irgendetwas stimmt nicht und das Erreichen der strategischen Ziele ist deutlich gefährdet.  

Eine gute Risikokultur hätte Ihnen jedoch frühzeitig ermöglicht, die Schwachstellen zu erkennen und gegenzusteuern. Sie ist zwingend notwendig, um das Erreichen der Strategie abzusichern.

RiskNET: Welche Maßnahmen haben Sie konkret umgesetzt, damit die Risikokultur die Unternehmenssteuerung verbessert? Welche Rolle spielt hierbei die Unternehmensleitung?

Christoph Schwager: Bei Risikokultur geht es immer um Menschen. Der Mensch ist der entscheidende Faktor, um die Unternehmenssteuerung zu verbessern. Häufig sind die Methoden der Unternehmenssteuerung nur als Top-Down-Methoden ausgewählt und werden der Organisation  übergestülpt. Und dann wird erwartet, dass die Menschen dies ohne zu zögern sofort und ideal leben. Damit erhält man zwar einen gewissen Grad an Transparenz, aber meistens nicht den entscheidenden, der das Unternehmen vor Überraschungen bestmöglich schützt.

Die eingesetzten Maßnahmen drehten sich darum, wie man Menschen dazu bewegt, aktiv die Risiken auf dem Weg zur Zielerreichung zu erkennen, transparent zu machen und zu managen. In der Luft- und Raumfahrt hat man beste Erfahrungen mit Simulationen gemacht, beispielsweise in der Pilotenausbildung. Dieses Konzept haben wir auf das Entwickeln der Risikokultur übertragen und damit sehr gute Erfolge erzielt. Die Rolle der Unternehmensleitung war eine Zentrale. Ohne den berühmten "Tone from the Top" wäre dies nicht möglich gewesen. Angefangen vom Aufsichtsrat über den Vorstand haben alle das Kulturentwicklungsprogramm unterstützt. Es konnte damit deutlich zur besseren Profitabilität des Unternehmens beitragen.

RiskNET: Eine Risikokultur basiert auf einer guten Unternehmenskultur: Was kann ich als Risikomanager überhaupt tun, damit das Fundament einer Unternehmenskultur stabiler wird?

Christoph Schwager: Die Rolle des Risikomanagers ist eine entscheidende. In der Theorie sollte der Risikomanager es sein, der die wesentliche Treiberrolle für die Verbesserung der Risikokultur übernimmt. In der Praxis ist das selbstverständlich von der jeweiligen Situation abhängig. Alle Unternehmen sind verschieden, aber irgendjemand im Unternehmen sollte diese Rolle ausfüllen. Das wichtigste ist, dass man dazu die richtige Persönlichkeit mitbringt. Natürlich sollte jeder Risikomanager, unabhängig von der Frage, ob er dazu einen offiziellen Auftrag hat, bestmögliche Methoden zur Verbesserung der Risikokultur einsetzen.

Lesen Sie Teil 2 des Interviews hier. Dabei wird der Risikomanagementprofi auf Fragen der Methodenauswahl, zur Risikokultur im Bereich der Finanzdienstleister und der Chancenbetrachtung antworten.

Bild des Benutzers Kim Heinz
Kuratiert
am 29.07.2015 von
Kim Heinz

Interview der Risknet Redaktion mit einem Risikomanagementprofi.